Aktionslernen – Lösungen finden, wenn es keine gibt

von | Wissensmanagement

Wenn es darum geht, auf traditionelle Art Wissen zu erwerben oder zu vermitteln, bedient man sich des vorhandenen Wissens, um bestehende Probleme zu lösen. Was aber geschieht, wenn es keine bekannte Lösung gibt? Die Antwort lautet Aktionslernen.

Führungskräfte und Experten, möglichst unterschiedlicher Organisationseinheiten, entwickeln ihre Fähigkeiten durch das Zusammenspiel und die Anwendung des Erfahrungsschatzes der gesamten Gruppe. So finden sie gemeinsam Problemlösungen, für die es noch keine bekannten Lösungen gibt.

Durch das Zusammenspiel von Organisation, Prozess und Kompetenz verorten wir Aktionslernen im Cluster organisationales Lernen. Im Semantischen Raum des Wissensmanagements nach Angelika Mittelmann ist es damit im gleichen Raum wie bspw. das Storytelling (Link) oder der Lessons Learned (Link) Prozess verortet.

Entwicklung und Nutzen des Aktionslernens

Als Leichtathlet nicht herausragend erfolgreich aber bekannt geworden als Entwickler des Aktionslernen – der Kernphysiker Reginald Revans.
In seiner Zeit als Bildungsbeauftragter in der englischen Kohle-Industrie, war Revans beauftragt, Möglichkeiten zur Produktionssteigerung zu suchen. Hierzu motivierter er die Zechenvorsteher zu Gruppentreffen in welchen sie ihre Erfahrungen teilen und niederschreiben sollten. Im Ergebnis war ein Produktionsanstieg von 30% zu verzeichnen. In einer Folgeaufgabe war er mit der Verbesserung des belgischen Rangs innerhalb der Europäischen Liga für wirtschaftliche Zusammenarbeit betraut. Unter Anwendung seiner Methode war in der Folge die Produktivität Belgiens größer als vergleichsweise die der USA, Deutschland und Japans. Spätestens jetzt war der Name Revans eng verbunden mit der Anwendung des Aktionslernen.

Die Beispiele zeigen bereits das Potenzial der Methode. Durch Verknüpfen von Handeln und Lernen werden Lösungen für komplexe Probleme erarbeitet und Resultate erzielt. Führungskräfte und Experten entwickeln nicht nur ihre Lernkompetenzen, sondern auch ihre Selbst- und Sozialkompetenzen – wichtige Aspekte in den Rollen Führung und Projekt. Die unmittelbare Anwendung des Gelernten vollzieht direkt den Praxistest und unterstützt nicht zuletzt die Weiterentwicklung der Unternehmenskultur hin zur lernenden Organisation.

Die Anwendung der Methode in der Praxis

Von Lernexperten begleitet, untersuchen im ersten Schritt die teilnehmenden Führungskräfte und Experten ihre Organisation auf zu lösende Probleme und Verbesserungspotentiale. achdem die aktuelle Situation beschrieben wurde, wird definiert welches Ziel durch die Prozessoptimierung oder Problemlösung erreicht werden soll.

In Lernpatenschaften mit Teilnehmern aus unterschiedlichen Organisationseinheiten unterstützen sich die Teilnehmer bei der Lösungsentwicklung ihrer konkreten Praxisfälle. Jeder Teilnehmer wählt aus den vorhandenen Ansätzen den für ihn passendsten aus und setzt ihn innerhalb eines vorab definierten Zeitraums in der Praxis um.

In der anschließenden Reflexion der Fortschritte, innerhalb von mindestens 6 regelmäßigen Gruppentreffen, wird die Ist-Situation den erwarteten Ergebnissen gegenübergestellt. Je nach Ergebnisbewertung wird der gewählte Lösungsansatz angepasst und überarbeitet.
In der kontinuierlichen Reflexion und Anwendung der vorgenannten Schritte wird das vorhandene Kernwissen kontinuierlich weiterentwickelt.

Das braucht es

Ohne Berücksichtigung der organisationalen Rahmenbedingungen wird Aktionslernen nicht erfolgreich sein. Deshalb ist eine detaillierte Auftragserklärung genauso notwendig wie die beabsichtigte Zielsetzung. Bei aller Struktur und Klarheit ist Aktionslernen aber dann am erfolgreichsten, wenn es keinen strikten Vorgaben bezüglich der zu bearbeitenden Aufgabenstellungen gibt, sondern die Teilnehmer sich in einem frei von ihnen zu wählenden Raum bewegen dürfen. Auf diesem Weg wird sichergestellt, dass die Teilnehmer ihren eigenen Nutzen finden können und sich nicht durch etwaige Einschränkungen desinteressiert abwenden.
Aktionslernen braucht Zeit. Es geht letzten Endes nicht nur darum die in der Praxis angewandten Lösungsansätze immer wieder mit der Zielsetzung zu spiegeln, sondern auch darum, ein soziales und vertrauensvolles Miteinander in der Teilnehmergruppe aufzubauen. Soziale Nähe schafft bessere Möglichkeiten zur kreativen Entwicklung von Lösungsansätzen und zur offenen Reflexion.

Aktionslernen braucht auch Regelmäßigkeit innerhalb vorstrukturierter Zeiträume, die nur so lang sein dürfen, wie sichergestellt ist, dass die Teilnehmer nicht den Kontakt zueinander verlieren. Zu lange Abstände bedingen die Implementierung von Lösungen in die Praxis ohne diese vorab geordnet und im Austausch mit anderen reflektiert zu haben.

Diversität – als Basis kreativer Lösungen

Das Entscheidungsverhalten der am Prozess Teilnehmenden sollte nicht davon geprägt sein, Einmütigkeit zu erzielen. Im Fall des Aktionslernens bedeutet Einmütigkeit den Verlust von positiver Reibung und damit Kreativität.

Aktionslernen ist eine Methode, welche stark von Gruppen- und Systemprozessen geprägt ist. Diese müssen nicht nur gut begleitet werden, sondern gleichfalls muss der Raum für zielführenden und zugleich offenen Austausch zwischen den Teilnehmenden geschaffen und gehalten werden. Diese Anforderungen bedingen nicht zuletzt eine ausgezeichnete Kommunikations- und Moderationsfähigkeit des begleitenden Experten um diese interessante und zugleich herausfordernde Methode des Wissensmanagement zielführend in der Praxis umzusetzen

Silvia Schorta
Mit ihrem breiten Erfahrungshintergrund unterstützt sie Unternehmen in der digitalen Transformation und der Wissensarbeit, coacht Wissenstransfers und begleitet Kulturveränderungen. Sie liebt die Berge und das Meer.