Implizites Wissen – Wo Suchmaschinen versagen

von | Organisationsentwicklung

Das Internet ist fast allwissend. Mit der richtigen Suche findet der Nutzer alle erdenklichen Informationen. Aber er findet eben nicht alles! Das Wissen und Können einer Person oder Organisation, was sich aus deren Erfahrungen, Erinnerungen und aus ihren Überzeugungen generiert und ihr individuelles Können abbildet, ist nicht zu finden – es steckt im Kopf des Menschen.

Wir sprechen hier vom sogenannten Erfahrungs- oder auch impliziten Wissen einer Person.

Ist Erfahrungswissen wirklich wichtig?

Nehmen wir den Fall, dass ein Forstwirt gelernt hat, wie ein Baum zu fällen ist, er aber erst aus seiner Erfahrung um die Unterschiede und Eigenarten unterschiedlicher Baumarten und Standorte weiß. Oder ein erfahrener Vertriebler aus seiner Kundenerfahrung den besten Weg findet, um den Verkaufsabschluss zu tätigen. Führen Sie sich den Unternehmer vor Augen, der auf Basis seines Bauchgefühls in einen neuen Markt einsteigt, obwohl alle Fakten dagegensprechen.

Bei all diesen Beispielen handelt es sich um implizites Wissen, auch Erfahrungswissen genannt, erworben durch Berufserfahrung und Intuition. Und ja, auf jeden Fall hat Erfahrungswissen einen hohen Stellenwert und ist sowohl für den persönlichen als auch für den Erfolg des Unternehmens wichtig und notwendig.

Wie dokumentiert man Bauchgefühl?

Fachwissen lässt sich durch Sprache, Schrift, Zeichnungen oder Bilder eindeutig benennen und dokumentieren und kann mittels verschiedener Medien an Andere weitergegeben oder verarbeitet werden. Aber wie dokumentiert man Bauchgefühl und Erfahrung?

Implizites Wissen zu erfassen und zu dokumentieren, stellt eine besondere Herausforderung an das Wissensmanagement dar. Einerseits bedarf es besonderer Methoden, um diesen Erfahrungsschatz zu heben und sichtbar zu machen, andererseits spielen die persönlichen Einstellungen des Wissensträgers und seine Bereitschaft zur Wissensweitergabe eine tragende Rolle.

Je komplexer eine Aufgabe ist, desto größer ist der Anteil impliziten Wissens, was zur Lösung notwendig ist. Damit steigt die Anforderung an die Wissensvermittlung entsprechend. Ich kann Ihnen aus meiner Erfahrung raten: Kümmern Sie sich um das Wissen Ihrer Mitarbeiter, vermeiden Sie Wissensinseln und pflegen Sie Ihr Wissensmanagement.

Implizites Wissen sichtbar machen

Zur Er- und Vermittlung impliziten Wissens bedarf es Kommunikation und Dialog. Aus der großen Vielfalt der zielführenden Methoden zur Wissensvermittlung und Dokumentation erfahren Sie hier die, die besonders geeignet sind, das implizite Wissen aufzeigen:

Methode 1 – Screencasts

Kennen Sie das auch – endlos lange Handlungsanweisungen z.B. für das Bedienen einer Maschine. Nutzen Sie besser Screencasts.

Screencasts sind Bildschirmaufzeichnungen über die an bspw. einer Maschine oder auch an einem PC oder Smartphone ausgeführten Interaktionen. Mitgeschnitten bzw. aufgezeichnet wird dabei jede ausgeführte Aktion.

Was man dafür braucht? Nicht viel, bereits ein Bildschirm und eine kostenfreie Screencast-Software wie Screencast o Matic sind ausreichend. Optimal ergänzt wird die Aufzeichnung von Audiokommentaren mittels Mikrofon. Mit entsprechender Vorbereitung, etwas Übung im späteren Schnitt oder entsprechender Fachunterstützung lassen sich die Aufzeichnungen in eine professionelle Form bringen und stellen so selbst abstrakte Arbeitsschritte anschaulich dar.

Der Vorteil von Screencasts: Bereits innerhalb eines kurzen Videos erhält der Wissensempfänger einfach, kompakt und anschaulich Wissen. Veröffentlicht werden können die Screencasts im firmeneigenen Intranet und anderen Speicher- und Ablagemedien sowie bei größeren und nicht vertraulichen Empfängerkreisen auch über Plattformen zur Veröffentlichung von Videos.

Methode 2 – Storytelling

Eine weitere besonders gut geeignete Methode implizites Wissen sichtbar zu machen ist das Storytelling.

Im besten Fall begleiten erfahrene Moderatoren diesen Prozess. Durch geschickte Fragen zu Situationen und Begebenheiten extrahieren sie das Wissen und auch die persönlichen Interpretationen einer Person oder Organisation zu Vorgehensweisen und Geschehnissen. Auf Basis der extrahierten Kernaussagen wird eine Erfahrungsgeschichte erstellt, die sowohl Fachwissen als auch Erfahrungswerte beinhaltet.

Erfahren Sie in unserem Artikel „Komm, erzähl mir eine Geschichte – Storytelling als Methode bei Wissenstransfer“ mehr zur Methode.

Methodik ist nicht alles – das sollten Sie beachten

Fachwissen zu sichern und dazu die passende Methode zu wählen ist nur ein Teil des Erfolges. Die nachfolgenden Einflussfaktoren auf den Erhalt und Transfer von implizitem Wissen sollten Sie zudem beachten. Sie leiten sich aus den folgenden fünf Unternehmensbereichen ab:

  • Unternehmensführung
  • Arbeitsorganisation
  • Mitarbeitereigenschaften
  • Personalführung und
  • Unternehmenskultur

Unternehmenskultur

Unternehmenskultur als Schlüssel zur Wissensweitergabe

Leben Sie eine positive Einstellung zur Wissensteilung. Wissen zu teilen darf nicht Macht-, Prestige- oder Respektverlust implizieren. Eine vertrauensvolle Basis innerhalb der Organisation eröffnet Möglichkeiten sich anzuvertrauen und bedingt dadurch den effektiveren Austausch von Wissen.

Fördern Sie Kreativität, denn Kreativität ist der Ursprung von Innovationen und steigert die betriebliche Wettbewerbsfähigkeit um ein Vielfaches. Kreative Mitarbeiter suchen auf Basis von bestehendem Wissen neue Anregungen, finden im Mitarbeiteraustausch neue Lösungsansätze und fördern damit automatisch die Weitergabe von implizitem Wissen.

Praktizieren Sie das Lob des Fehlers. Im konstruktiven, vorbehaltlosen und vorwurfsfreien Umgang werden Lernprozesse positiv begleitet.

Pflegen Sie den zwischenmenschlichen Austausch und die Wertschätzung unterschiedlicher Meinungen ohne die Beachtung von Hierarchien. Das erweitert die organisationale Wissensbasis.

Unternehmensführung als Leitbild und Orientierung

Mit einer einfachen aber klar definierten und auch kommunizierten Unternehmensvision finden Beschäftigte Orientierung und ziehen daraus Motivation, ihre Arbeit an der Zielstellung und Strategie auszurichten. Persönliche Erfahrungswerte können effektiv einfließen.

Größtmögliche Eigenverantwortung auf allen Hierarchieebenen regt Mitarbeiter und Teams dazu an, die eigenen (Wissens)Ressourcen umfänglich zu nutzen, um der übertragenden Verantwortung gerecht zu werden.

Kontinuierliches Lernen und dadurch Erweitern der beruflichen Handlungskompetenz sichert die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit.

Arbeitsorganisation – das „Wie“ als Basis für Wissensaustausch

Betrachtet man Ideenmanagement als Spielwiese für Verbesserungen und Neuerungen und werden durch die Unternehmensleitung entsprechende Handlungsbefugnisse und Freiräume eingeräumt, entsteht ein positiver Effekt auf den unternehmensinternen Wissenstransfer.

Fördern Sie bewusst die Reflexion von Erlebtem und Geleistetem, um implizites Mitarbeiterwissen nachhaltig zu verankern. Räumen Sie dafür Zeitfenster ein.

Als Team gemeinsam stark sein – Teamarbeit in schlagkräftigen, harmonischen Teams impliziert nicht nur die Nutzung unterschiedlicher Ressourcen, sondern kann die Arbeitsbelastung verteilen. Dadurch entsteht automatisch Raum für notwendigen Austausch.

Personalführung – durch Vorleben Nachahmer finden

Elementare Aufgabe einer Führungskraft ist es, mit gutem Beispiel voranzugehen und ihr Verhalten als Maßstab und Richtungsweiser für die Organisation zu sehen. Dazu gehören:

  • Kommunikation und Information
  • Erkennen von Mitarbeiterpotentialen insbesondere in Bezug auf Erfahrungswissen sowie
  • Motivierendes und positiv forderndes Führungsverhalten

Motivierte Mitarbeiter als Selbstläufer

Eine nicht zu unterschätzende Rolle im Prozess des Wissenstransfers nimmt der Mitarbeiter ein. Er muss nicht nur erkennen, dass sowohl er als auch seine Kollegen Träger wertvollen Wissens sind, sondern er muss sich auch des gegenseitigen Nutzens bewusst sein. Indem ich Wissen erfahre und mit anderen teile, erweitere ich meinen und den Horizont des Teams zur Erlangung optimalerer Ergebnisse.
Umso intrinsischer motiviert die Wissensteilung ist, umso mehr Freude und Selbstverständnis entsteht im Arbeitsprozess.

Implizites Unternehmenswissen sichern – Aufgabe und Eigenverantwortung
Es bleibt festzustellen, implizites Wissen zu sichern ist nicht unmöglich. Versäumen Sie es jedoch, dem Fachwissen Ihrer Mitarbeiter Beachtung zu schenken und es durch eine fördernde und fordernde Unternehmenskultur zu sichtbar zu machen, arbeiten Sie gegen Ihren Unternehmenserfolg und verschenken wertvolle Potenziale.

Nutzen Sie daher Ihre Möglichkeiten zur nachhaltigen Sicherung von implizitem Wissen. Denken Sie daran, es ist nur in den Köpfen Ihrer Mitarbeiter zu finden!

Silvia Schorta
Mit ihrem breiten Erfahrungshintergrund unterstützt sie Unternehmen in der digitalen Transformation und der Wissensarbeit, coacht Wissenstransfers und begleitet Kulturveränderungen. Sie liebt die Berge und das Meer.
Wissen verlässt das Unternehmen

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