Komm, erzähl mir eine Geschichte – Storytelling als Methode bei Wissenstransfer

von | Wissensmanagement

 In der Reihe „Werkzeugkasten Wissensmanagement“ begeben wir uns heute in das Cluster „Entfaltung des organisationalen Lernens“ in welchem die Entitäten Kompetenzen und Organisationen verortet sind und stellen Storytelling als Methode des Wissenstransfers vor.

Ein chinesisches Sprichwort sagt, das eine gut erzählte Geschichte aus den Ohren Augen macht. Wissen wir nicht alle, dass unsere Aufmerksamkeit und Konzentration dann viel höher sind, wenn wir eine lebendig erzählte Geschichte hören? Das wir ihr viel besser folgen können und uns an die Inhalte erinnern können, als wenn wir einem sachlich-logischem Vortrag folgen?

Schon seit Jahrtausenden sind Geschichten in allen Kulturen der Welt ein Kommunikationsmittel was zur Weitergabe von komplexem Wissen, zur Vermittlung von Lebenserfahrungen, zur Vermittlung von Informationen, zur Definition von Rollen und Verhaltensweisen und zur Weitergabe von Normen und Regeln angewandt wurde. Geschichten stoßen Denkprozesse an, helfen Vertrauen aufzubauen und übertragen subtil nicht bewusstes Wissen. Sie schaffen emotionale Verbindungen und ermöglichen dem Zuhörer dadurch „fremdes“ Wissen leichter aufzunehmen. Indem der Erzähler seine Geschichte dramaturgisch aufbaut und ausschmückende Elemente verwendet, werden Subtexte erzeugt, die dem Zuhörer ermöglichen, das Gehörte zu verinnerlichen und zu erinnern.

Storytelling im Wissensmanagement – Die Umsetzung in der Praxis

Wird Storytelling im Bereich des Wissensmanagements angewendet sind einige Grundregeln zu beachten, um die Methode erfolgreich nutzen zu können.

Grundregel 1 – Inhalte sammeln nach einem vorab bestimmten Ziel

Um zu wissen, welche Inhalte notwendig sind, muss im Vorfeld klar sein, welches Ziel überhaupt mit Hilfe der Geschichte erreicht werden soll. Geht es z.B. darum Wissen auszutauschen, sind die Inhalte anders gelagert, als wenn es darum geht, Werte zu vermitteln. Im ersten Fall wird fokussiert auf gemachte Fehler und der Lösungsweg in den Mittelpunkt gestellt sowie weitere alternative Lösungen erbeten. Im Rahmen der zweiten Zielstellung werden u.a. glaubhafte Charaktere in den Mittelpunkt gestellt und den Zuhörern vertraute Situationen gewählt, die mit den beschriebenen Wertebildern einhergehen.

Idealerweise begleitet von Moderatoren, werden die Inhalte der Geschichten durch geschicktes Fragen zu Situationen und Begebenheiten aus dem Alltag oder durch narrative Interviews zusammengetragen. Durch das Befragen möglichst vieler Personen, die am Geschehen beteiligt waren oder sind gelingt es sowohl Fakten als auch persönliche Interpretationen zu sammeln und möglichst viele Perspektiven zu erhalten.

Die Moderatoren zeichnen die Geschichten auf, ordnen thematisch und extrahieren die Kernaussagen. Am schnellsten erfolgt die Aufzeichnung durch Mitschnitte und anschließende Transkription oder aber auch durch stichpunktartige Erfassung auf oder in anderen Medien.
Die Aufzeichnungen und Mitschriften werden im nächsten Schritt an alle Input-Geber verteilt, wenn jeweils die Richtigkeit der Inhalte bestätigt wurde. Durch die Rückkopplung mit den Interviewten wird sichergestellt, dass alle Inhalte der Erfahrungsberichte richtig verstanden wurden, Zitate freigegeben werden und nun die Erfahrungsgeschichte mit passenden Inhalten erstellt werden kann.

Grundregel 2 – Das kreative Schreiben

Basierend auf dem gesammelten Material entsteht nun die Geschichte. Die Aufzeichnungen werden verdichtet und finden sich in einer oder mehreren Geschichten wieder. Dabei ist die Hilfe der Moderatoren zielführend, denn sie sind am besten mit den Inhalten vertraut und haben die Zielsetzung mit den Auftraggebern abgestimmt.
Bei der Erstellung der Geschichte sollte nicht nur bedacht werden, was eine gute Geschichte ausmacht, nämlich:

  • ihre Struktur (Einleitung – Mittelteil – Auflösung)
  • ihre Kompaktheit
  • die handelnden Personen
  • das überraschende Moment
  • das Aha-Erlebnis
  • ihre Aktualität bzw. Relevanz und
  • ihr glücklicher Ausgang,

sondern auch, dass sie genau dann mehr im Gedächtnis bleibt, wenn sie eingängig, spannend und kreativ aufbereitet ist.

Grundregel 3 – Das Werk verbreiten

Nach all der Arbeit sollte das fertige Dokument natürlich nicht in der Schublade verschwinden, sondern in speziellen Workshops verbreitet werden.
Verbreiten beginnt in dem Fall beim Erzählen. Nachdem viel Aufmerksamkeit und Arbeit in die Inhalte geflossen sind, sollte das Erzählen nicht leichtfertig erfolgen. Damit die Verbreitung des Werks nicht „verpufft“ sollten folgende Punkte beachtet werden:

  • Da der Zuhörer in vielen Fällen noch keine eigenen Erfahrungen zu den Inhalten hat, sollte ein einfaches und zielgerichtetes Storytelling erfolgen.
  • Die Nutzung verschiedener Medien macht die Geschichte lebendig und inspiriert zusätzlich da mehr als der Sinn „Hören“ beansprucht wird.
  • Das Publikum ist Feedbackgeber. In diesem Sinne sollte positive Rückmeldungen direkt aufgegriffen und verstärkt werden und negative abgemildert werden.

Im Regelfall werden Geschichten erzählt und von „Mund zu Ohr“ weitergetragen. Aber eine gute Geschichte bedarf nicht zwingend einer mündlichen Verbreitung. Manchmal stehen dem auch räumliche oder zeitliche Einschränkungen entgegen. Wenn die Inhalte so eingängig und spannend aufbereitet und passend visualisiert sind, dass auch eine schriftliche Verbreitung möglich ist, erweitert sich der Wirkungskreis der Geschichte um ein Vielfaches.

Die Grenzen von Storytelling

Gute Geschichten leben von erlebten und selbst erfahrenen Inhalten, so baut sich Beziehung zum Zuhörer auf was wiederum das Aufnehmen der Informationen positiv beeinflusst. Um die wirklich eingängigen Erfahrungen und Episoden zu eruieren ist eine Unternehmenskultur notwendig, die von Offenheit und Vertrauen geprägt ist. Nur dann wird der wahre Kern zu finden sein. In jedem anderen Fall stiftet Storytelling wenig Sinn.

Ob die Inhalte für eine wirklich spannende Geschichte ausreichen zeigt sich oft erst im Prozess. Begleitet von einem guten Moderator lassen sich eventuelle Lücken im Aufbau durch gezielte Nachfragen schließen. Auch im umgedrehten Fall, nämlich dann, wenn die Stofffülle zu umfangreich ist, ist es hilfreich einen erfahrenen Begleiter zu involvieren. Im Zweifelsfall kann der Stoff auf mehrere Geschichten aufgeteilt werden.

Die Vorbereitung erfordert viel Arbeit und Geschick. Um die dafür aufgewendete Zeit nicht im Nachhinein zu verschenken, sollten weniger geübte Geschichten-Erzähler vor einem kleinen Kreis wohlwollender Zuhörer üben. Mit zunehmender Übung wird nicht nur die Qualität des Erzählens enorm gesteigert. Durch die gewonnene Sicherheit kann der Fokus zunehmend auf die Reaktion der Zuhörer gelenkt werden und eine konsequente Rückkopplung erfolgen.

Handeln entsprechend der Kompetenzen

Wie eigentlich üblich, sollte jeder das tun, was er am besten kann. Von einem Geschichten-Erzähler wird man nicht zwingend erwarten können, dass er grafische Kenntnisse mitbringt und auch die kommunikativen Fähigkeiten eines Moderators sind ihm eigen. Im Umkehrschluss sollte es also nicht Anspruch sein alle Prozessschritte im Rahmen des Storytellings von einer Person ausführen zu lassen.

Silvia Schorta
Mit ihrem breiten Erfahrungshintergrund unterstützt sie Unternehmen in der digitalen Transformation und der Wissensarbeit, coacht Wissenstransfers und begleitet Kulturveränderungen. Sie liebt die Berge und das Meer.
Wissen verlässt das Unternehmen

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