Mikroartikel als Wissensspeicher

von | Wissensmanagement

Der Fokus der Reihe „Werkzeugkasten Wissensmanagement“ liegt heute auf dem Mikroartikel als Wissensspeicher, also als Instrument zur Speicherung, Erweiterung und Weitergabe von Wissen.

Wer kennt es nicht, hier schnell eine Notiz auf einem Merkzettel, dort ein Stichpunkt in Evernote oder einem anderen digitalen Tool. Wie oft passiert es in der Folge, dass bereits innerhalb kürzester Zeit eine Notiz, selbst vom Ersteller, nicht mehr nachvollzogen werden kann, geschweige denn eine nicht beteiligte Person den Inhalt eines Merkzettels zu deuten versucht. Wissen braucht Struktur um effektiv nachgehalten werden zu können und um zu wachsen. Ein gutes Hilfsmittel – der Mikroartikel zur Dokumentation und Weitergabe von Erfahrungen und Erkenntnissen.

 

Der Mikroartikel im semantischen Raum des Wissensmanagements

Im semantischen Raum des Wissensmanagements nach Angelika Mittelmann, verortet im Cluster Entwicklung einzelner Kompetenzen, sind dem Mikroartikel die für die Methode relevanten Entitäten

  • Wissensträger – als Person, die Wissen und Erfahrungen gesammelt hat, das für andere wertvoll sein kann
  • Kompetenzen – als Ausdruck der Fähigkeiten und des Wissens eines Wissensträgers oder einer Organisation und
  • Wissensobjekte – als physische und virtuelle Orte der Wissensarchivierung

zugeordnet.

 

Nutzen und Anwendungsbereich der Methode

1998 unter dem Namen „MikroArt“ durch Prof. Helmut Willke bei verschiedenen Wissensmanagement-Projekten entwickelt, verbirgt sich in einem Mikroartikel als Wissensspeicher die Idee einer komprimierten Fallstudie einer Person. Aus deren persönlichen Erkenntnissen sowie ihren Lern- und Projekterfahrungen wird der Mikroartikel erzeugt.

In dieser kompakten und strukturierten Form lässt sich Wissen gezielt und ohne Herausforderungen im Rahmen des Wissensmanagements und Wissenstransfers an Wissensempfänger weitergeben. Dieser wiederum kann die persönlich erlebten und in Erzählform dargestellten Erkenntnisse des Wissensträgers nicht nur wiederverwenden, sondern auch weiterentwickeln.

Willke selbst bezeichnet den Mikroartikel als „Perpetuum mobile der Wissensgenerierung“. Warum? Der Mikroartikel als Wissensspeicher kann jederzeit neu interpretiert und unter unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet werden. Gerade im fachlichen Austausch und der Diskussion über Mikroartikel anderer Kollegen entstehen in der Folge differenzierte Ansichten, die neues Wissen generieren. Aus seinem Kern heraus produziert ein Mikroartikel neues Wissen.

Mikroartikel eignen sich besonders gut:

  • für die Dokumentation von individuellen Lernerfahrungen,
  • für Niederschriften aus Lessons Learned Prozessen,
  • für die Dokumentation von Entscheidungen und
  • für die Zusammenfassung von Lektüre.

Mikroartikel als Wissensspeicher versus Fachartikel

Ein Mikroartikel umfasst maximal eine Textseite und folgt dabei einer bestimmten Struktur, die im weiteren Textverlauf noch erläutert wird.

Im Vergleich von Fachartikeln und Mikroartikeln bleibt festzuhalten, dass die Autoren beider Formen Wissen generieren, was auf einer Einsicht, einer Idee bzw. etwas Neuem fußt. Es handelt sich jeweils um eine schriftliche Darlegung der Erkenntnisse. Dabei müssen die Autoren darauf achten, ihre Erkenntnisse jeweils so zu formulieren, dass Wissen verständlich und nachvollziehbar dargestellt wird. Der Erfolg von Fach- und Mikroartikeln orientiert sich jeweils daran, wie viele Personen sich mit den dargestellten Erkenntnissen nach der Publizierung beschäftigen.

Es gibt also, bis auf den Umfang, keine signifikanten Unterschiede zwischen Fachartikeln und Mikroartikeln. Verborgenes Wissen wird verständlich erläutert und einer Zielgruppe zugänglich gemacht, die sich mit dem beschriebenen Wissen auseinandersetzt. Nicht selten gilt der Mikroartikel als kleiner Ableger eines Fachartikels. Diese Bezeichnung trägt er wohl zu Recht.

Wer regelmäßig Mikroartikel als Wissensspeicher verfasst, trainiert damit nicht zuletzt seine Fähigkeit, umfassendere Fachartikel zu erstellen und zu veröffentlichen.

Die Erstellung von Mikroartikeln –

eine Anleitung in 3 Schritten

Schritt 1: Achtsamer Umgang mit Lernerfahrungen

Voraussetzung für die Erstellung eines prägnanten Mikroartikels ist der achtsame und bewusste Umgang mit gemachten Lernerfahrungen.

Idealerweise wird dafür regelmäßig Rückblick auf vergangene Zeiträume gehalten. Beispielsweise könnte eine der letzten Aktivitäten der Arbeitswoche sein, sich jeweils Zeit zu nehmen und die Erkenntnisse der vergangenen Woche zu reflektieren und zu bewerten. Besondere Lerneffekte mit Relevanz für andere aktuelle oder potentiell künftige Anwender und Wissensempfänger bilden die Grundlage für den Mikroartikel.

Diese Zeit der Reflektion sollte man sich sehr bewusst nehmen. Dazu gehört auch die notwendige Ruhe. Eine entsprechende Planung im Tages- bzw. Wochenrhythmus ist daher anzuraten.

Schritt 2: Erstellung mittels gleicher Struktur

Einmal festgelegt, sollte der Aufbau von Mikroartikeln jeweils der gleichen Struktur folgen, so dass standardisierte Wissensbausteine entstehen.

Eine mögliche Struktur könnte nach Prof. Wilke wie folgt lauten:

  • Titel – Thema des Mikroartikels mit aussagekräftiger Überschrift und passenden Schlüsselwörter
  • Geschichte – Schilderung der Grundlage des Mikroartikels aus deren Kontext die Erkenntnis für den Wissenstransfer gewonnen wurde

Die Geschichte, die zur Erkenntnis geführt hat, setzt das Learning in den passenden Zusammenhang und zeigt die Relevanz auf, gefragt ist gutes Storytelling.

Prof. Willke beschreibt diesen Erfolgsfaktor eines guten Mikroartikels wie folgt: „Erst eine erzählte Geschichte hebt den Mikroartikel über die Ebene der Daten und Informationen hinaus und bietet die Anschlussstellen für die Praxis – und damit die Anschlussstellen dafür, dass Leser das in der Geschichte explizierte Wissen mit ihren eigenen Erfahrungen verbinden können. Diese Verbindung oder Verknüpfung ist die Operation, mit der Leser aus den Daten und Informationen des Mikroartikels eigenes Wissen aufbauen. Erst eine gelingende der Verknüpfung fremder und eigener Erfahrungen konstituiert den Wissenstransfer, um den es geht.“

  • Einsichten – Schilderung der erlernten Lektion, Botschaft oder Erkenntnis

Ganz wichtig ist als zweiter Erfolgsfaktor zu wissen, dass ein Mikroartikel als Wissensspeicher nur dann sinnvoll ist, wenn er sich auf genau eine Einsicht oder Erkenntnis beschränkt. Genau darin liegt die besondere Herausforderung, die nicht zuletzt den Mut erfordert, sich zu fokussieren. Im Zweifelsfall, z.B. dann, wenn Erkenntnisse aus der Verfehlung eines großen Projektzieles gefunden wurden, sollten mehrere Mikroartikel zu jeweils einer Erkenntnis erstellt werden.

Erfolgsfaktor Nummer drei ist hierbei ganz klar eine verständliche und nachvollziehbare Schreibweise. Halten Sie es mit Schultz von Thun und verwenden sie das Hamburger Verständlichkeitsmodell: Einfachheit, Ordnung, Prägnanz und Stimulanz!

  • Folgerung – Welche Schlüsse bzw. Konsequenzen sind aus der Einsicht zu ziehen und haben Relevanz
  • Anschlussfragen – Abschließende Dokumentation der offengebliebenen Fragen

Entscheidend für die Qualität eines Mikroartikels sind die Teile Geschichte und Einsicht. Die beiden Schritte gehören eng zusammen, denn die Einsicht ergibt sich aus der selbst erlebten Geschichte.

Schritt 3: Verbreiten mittels geeigneter Wege

Sobald der Mikroartikel für die Verwendung im organisationalen Wissensmanagement gedacht ist, sollten geeignete Wege der Verbreitung definiert werden. So könnte eine Sammlung von Mikroartikeln beispielsweise, gut verschlagwortet, an einer gut zugänglichen Stelle im Unternehmen oder mittels digitaler Datenverarbeitungssysteme erfolgen.

 

Die Grenzen der Methode Mikroartikel als Wissensspeicher

Nicht nur die generelle Bereitschaft zum Wissenstransfer ist Voraussetzung für die erfolgreiche Anwendung dieser Methode.

Förderlich und notwendig ist es zudem, wenn der Anwender die Bereitschaft und Fertigkeit zur Selbstreflexion und Selbstevaluation mitbringt. Sollte diese Kompetenz nicht vorhanden sein, sollte eine entsprechende Unterstützung zur Publikation zur Verfügung gestellt werden. Ich unterstütze gern mit meiner Kompetenz!

 

Im nächsten Artikel zur Thematik „Werkzeugkasten Wissensmanagement“ wird die Methode „Lernpartner“ vorgestellt.

Silvia Schorta
Mit ihrem breiten Erfahrungshintergrund unterstützt sie Unternehmen in der digitalen Transformation und der Wissensarbeit, coacht Wissenstransfers und begleitet Kulturveränderungen. Sie liebt die Berge und das Meer.
Wissen verlässt das Unternehmen

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